1988 – 2018: 30 Jahre – ein Jubiläumsfazit

1988 – 2018
Wir befinden uns im Jahre 2018 n.Chr. Ganz Deutschland ist vom Sommerloch, der Sauren-Gurken-Zeit, der WM und der medialen Dauerberieselung besetzt … Ganz Deutschland? Nein! Ein von Unbeugsamen bevölkertes Atelier hört nicht auf, der Konditionierung Widerstand zu leisten und feiert 30 jähriges Bestehen.
Anders leben – Anders arbeiten … Das was die Hausbesetzerszene der 1970er – deren Protagonisten heute satt und fest in ihren Satteln sitzen- als Slogan propagierten, vollziehe ich 2018 nun seit nahezu 30 Jahren mit meinen Mitarbeitern. Mein Atelier ist zusätzlich nicht nur ein echter Denk-Raum, sondern dient als Playground auch der Inspiration. Ich habe schon remote, flexibel gerarbeitet, da gab es diese Begriffe dank des Internets und der doktinierten Arbeitsveränderung, des neuen Arbeitens noch gar nicht:

30 Jahre Doin’ Damage, 30 Jahre angeblicher Zerstörung, 30 Jahre Stolz auf frühes und früheres wildes Graffiti, 30 Jahre Stadt- und Raumergänzungen, 30 Jahre angebliche Sachbeschädigung und so genannter Vandalismus, 30 Jahre Gestaltung und »Subkultur« (was auch immer das sein soll), 30 Jahre Hype, 30 Jahre Fake, 30 Jahre Kunst-, Sozial- und Kriminal-Pädagogik (ein dreifaches Hoch!), 30 Jahre Nonkonformismus, 30 Jahre Protest, aber auch 30 Jahre Glauben an ein so genanntes Wertesystem, 30 Jahre Konditionierung durch Massenmedien und Umfeld, 30 Jahre Competition (ain‘t nothing to me) und Wettbewerb, 30 Jahre Design und 30 Jahre »Fuck You«.
30 Jahre Anglizismen und 30 Jahre Werbung (Ohne Werbung wäre ich Millionär! Henry Ford-Milliardär), 30 Jahre Andersdenken, Querdenken und 30 Jahre Courage, 30 Jahre Steuerung & Abhängigkeit und 30 Jahre Kontrolle durch Staatsdiener & Journalisten (m/w). 30 Jahre Überwachung und kein Datenschutz.
30 Jahre kaum Veränderung ungerechter Systeme. Auch nicht in Deutschland.
30 Jahre perfide Hyänen in Business, Beziehung und Freundschaft (m/w), 30 Jahre Lernen durch Spaß, Tränen, Enttäuschung und Erfahrung, 30 Jahre Überraschungen und Suche, aber auch 30 Jahre wenige, aber gute Freunde, 30 Jahre abgefahrene Kunden und aberwitzige Selbstdarsteller in Marketing und Kommunikation.
30 Jahre Kauf- und Tauschzwang und 30 Jahre Illusion in Wahrnehmung des Ichs & der anderen, aber auch 30 Jahre geile Reisen und lustige Erfahrungen, 30 Jahre Innovation (nicht nur durch Subversion), 30 Jahre andere Länder – coole Menschen. 30 Jahre Kunstglaube und 30 Jahre Erwachen davon. 30 Jahre Antikunst und 30 Jahre Liebe.
30 Jahre Markendiener und 30 Jahre Kapitalglaube, 30 Jahre Luxus (im hier und jetzt zu leben) und 30 Jahre Erkennen der Grenzenlosigkeit (auch menschlicher Dummheit).
30 Jahre mutiges Vorbild (nicht nur für vermeintlich minderbemittelte Jugendliche), 30 Jahre Nachsitzen (BWL), 30 Jahre HipHop, 30 Jahre FlipFlop, 30 Jahre Humanismus, 30 Jahre Musikliebe, 30 Jahre Engagement und 30 Jahre Lernen.
30 Jahre lehren. 30 Jahre Reizüberflutung, Massenkonsum und Nachhaltigkeit. 30 Jahre Hass auf nicht nur behördliche Verwaltungswillkür. 30 Jahre eigene Wege gehen. 30 Jahre no company-no lumpany.
30 Jahre Stetigkeit und 30 Jahre Kontinuität im Tun und Handeln, 30 Jahre Mistrauen in Politik, 30 Jahre Offenheit und 30 Jahre Nachdenken. 30 Jahre Graffiti-Workshops und Street Art/Urban Art Events.
30 Jahre Belton, Auto-K, Kwasny, Multona, Sparvar, Monex, Eisodur, Krylon, Rust-Oleum, Dupli-Color, Motip, Altona, MTN, Montana Cans, MTN 94, Hardcore, Montana Black, Montana Gold, Montana Spider, Liquitex, Clash, Beat, Loop, Oxygen Colors, Edding, Molotow, OntheRun, Posca, Uniwide, Uni, Stylefile, Graphmaster, Copic, 3M Doppelkammerfiltermasken.
30 Jahre Taggen, tagging, Tags, Markern, Markieren, Writing, Stylewriting, stylen, sketchen, skizzieren, Wildstyle, Simple-Style, Semi-Wild-Style, Bubblestyle, Throw-up.
30 Jahre Sprühen, Sprayen, Gestalten und Malen mit der Farbsprühdose und Fassadenfarbe/Innenwandfarbe.
Als ich vor 30 Jahren, 1988, mit Graffiti begann konnte ich nicht ahnen, daß es meine Berufung wird. Heutzutage unvorstellbar, gesteuert von Horden pädagogisch instrumentalisierter Sprühvasallen, die den Kindern früh eintrichtern was gut und was schlecht (Schrift: schlecht-Figurativ: gut) darstellen soll, startete ich mit »learning by doing« im öffentlichen und privaten Raum. Etwas, daß immer weniger sein darf, vor allen Dingen, wenn es denn im realen Raum stattfindet.
Daher wird der virtuelle Raum ausgebaut, denn der reale ist angeblich nicht mehr editierbar. Zu fest sitzen die sich selbst als Eliten betitelnden als Eigentümer im Sattel ihrer Rechtssysteme.
Die Zukunft wird digital, so posaunt es momentan medial forciert aus allen Ecken. Und überall wimmelt es von Software-Architekten und -Ingenieuren und initiierten Thinktanks und Kreativspaces (ein Superwort). Viele Unternehmen bauen jetzt Ideenräume, weil Kreativität auf einmal so wichtig sein soll, aber bitte immer nur im Zusammenhang mit Digitalität bzw. Virtualität und deren Schnittstelle zur Realität ;-). So genannte Kreativwirtschaftstage haben heute als Thema Künstliche Intelligenz (menschliche wäre doch zur Abwechslung auch mal toll), Robotik und Internet der Dinge (IoT). Für mich als Gestalter eine eher fragwürdige Entwicklung, obwohl ich schon sehr lange mit und vor Computern arbeite.
Die Controller haben sich mit den Programmierern vereint und haben den Laden komplett übernommen. Mit dem Ergebnis, daß als Endziel die komplette Kontrolle uns ins virtuell programmierte Paradies führen darf. Na wunderbar. Und heutige Kinder nehmen es auf, als wäre es das normalste der Welt. Lehrkräfte und Pädagogen kämpfen auf verlorenem Posten und das Lernen wird hoffentlich in der zukünftig mensch-computergenerierten Matrix endlich wieder Spaß machen dürfen. Oder vollzieht es sich auch da wieder anders, als vorhergesagt?
Das Geldwertesystem wird sein Ende finden und wir werden eventuell neue Werte definieren (müssen), die außerhalb billiger Tricks, wie die der beratenden Zunft, der Aktienmärkte, Banken und Versicherungen stehen.
Was bleibt?
Graffiti, im öffentlichen und privaten Raum darf sich bis heute nicht als festes wertiges Medium etablieren. Festivals, wie das etablierte MOS/Meeting of Styles dürfen in Pinkelecken zeigen, wie angebliche Street Art 2018 geht und schickt sich an, Räume mit beliebiger Präventionsgestaltung zu besetzen.
Medien in 30 Jahren werden vielleicht keine so große Rolle mehr spielen, wie heute noch. Ein Rückzug auf eigene innere Wahrnehmung wird möglicherweise folgen.
Aber, wer kann das wissen? Und wofür auch?
Ein Prosit auf die nächsten 30 Jahre, denn wer so viel Kondition hat so lange gegen den Strom zu schwimmen ist eigentlich Weltmeister ;-), nicht nur abseits des Alltäglichen.
Im Rahmen des Jubiläums haben wir im Team die Website Bomber.de auf die wesentlichen Punkte reduziert. Sie geht im Laufe der Tage online. Die vorherige Seite bleibt bestehen und wird weiterhin einsehbar bleiben.